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Produkt zu prufen, zu beschriften und die Ausbeute genauestens nach Qualitut
und Quantitut in ihren Buchern zu verzeichnen. Nachdem sie die Tiegel
huchstpersunlich verschlossen, versiegelt und in die kuhlen Tiefen ihres
Kellers getragen hatte, zog sie ihr schwarzes Kleid an, nahm ihren
Witwenschleier und machte die Runde bei den Kaufleuten und
Parfumhandelshuusern der Stadt. Mit bewegenden Worten schilderte sie den
Herren ihre Situation als alleinstehende Frau, ließ sich Angebote
machen, verglich die Preise, seufzte und verkaufte endlich - oder verkaufte
nicht. Parfumierte Pomade, kuhl gelagert, hielt sich lange. Und wenn die
Preise jetzt zu wunschen ubrigließen, wer weiß, vielleicht
kletterten sie im Winter oder nuchsten Fruhjahr in die Huhe. Auch war zu
uberlegen, ob man nicht, statt diesen Pfeffersucken zu verkaufen, mit andern
kleinen Produzenten gemeinsam eine Ladung Pomade nach Genua verschiffen oder
sich an einem Konvoi zur Herbstmesse in Beaucaire beteiligen sollte -
riskante Unternehmungen, gewiss, doch im Erfolgsfall uußerst
eintruglich. Diese verschiedenen Muglichkeiten wog Madame Arnulfi sorgsam
gegeneinander ab, und manchmal verband sie sie auch und verkaufte einen Teil
ihrer Schutze, hob einen anderen auf und handelte mit einem dritten auf
eigenes Risiko. Hatte sie allerdings bei ihren Erkundigungen den Eindruck
gewonnen, der Pomademarkt sei ubersuttigt und werde sich in absehbarer Zeit
nicht zu ihren Gunsten verknappen, so eilte sie wehenden Schleiers nach
Hause und gab Druot den Auftrag, die ganze Produktion einer Lavage zu
unterziehen und sie in Essence Absolue zu verwandeln.
Und dann wurde die Pomade wieder aus dem Keller geholt, in
verschlossenen Tupfen aufs Vorsichtigste erwurmt, mit feinstem Weingeist
versetzt und vermittels eines eingebauten Ruhrwerks, welches Grenouille
bediente, grundlich durchgemischt und ausgewaschen. Zuruck in den Keller
verbracht, kuhlte diese Mischung rasch aus, der Alkohol schied sich vom
erstarrenden Fett der Pomade und konnte in eine Flasche abgelassen werden.
Er stellte nun quasi ein Parfum dar, allerdings von enormer Intensitut,
wuhrend die zuruckbleibende Pomade den grußten Teil ihres Duftes
verloren hatte. Abermals also war der Blutenduft auf ein anderes Medium
ubergegangen. Doch damit war die Operation noch nicht zu Ende. Nach
grundlicher Filtrage durch Gazetucher, in denen auch die kleinsten Klumpchen
Fett zuruckgehalten wurden, fullte Druot den parfumierten Alkohol in einen
kleinen Alambic und destillierte ihn uber dezentestem Feuer langsam ab. Was
nach der Verfluchtigung des Alkohols in der Blase zuruckblieb, war eine
winzige Menge blass gefurbter Flussigkeit, die Grenouille wohlbekannt war,
die er aber in dieser Qualitut und Reinheit weder bei Baldini noch etwa bei
Runel gerochen hatte: Das schiere ul der Bluten, ihr blanker Duft,
hunderttausendfach konzentriert zu einerkleinen Pfutze Essence Absolue.
Diese Essenz roch nicht mehr lieblich. Sie roch beinahe schmerzhaft
intensiv, scharf und beizend. Und doch genugte schon ein Tropfen davon,
aufgelust in einem Liter Alkohol, um sie wieder zu beleben und ein ganzes
Feld von Blumen geruchlich wiederauferstehen zu lassen.
Die Ausbeute war furchterlich gering. Gerade drei kleine Flakons fullte
die Flussigkeit aus der Destillierblase. Mehr war von dem Duft von
hunderttausend Bluten nicht ubriggeblieben als drei kleine Flakons. Aber sie
waren ein Vermugen wert, schon hier in Grasse. Und um wie viel mehr noch,
wenn man sie nach Paris verschickte oder nach Lyon, nach Grenoble, nach
Genua oder Marseille! Madame Arnulfi bekam einen schmelzend schunen Blick
beim Anschauen dieser Fluschchen, sie liebkoste sie mit Augen, und als sie
sie nahm und mit fugig geschliffenen Glaspfropfen verstupselte, hielt sie
den Atem an, um nur ja nichts vom kostbaren Inhalt zu verblasen. Und damit
auch nach dem Verstupseln nicht das kleinste Atom verdunstenderweise
entweiche, versiegelte sie die Pfropfen mit flussigem Wachs und umkapselte
sie mit einer Fischblase, die sie am Flaschenhals fest verschnurte. Dann
stellte sie sie in ein wattegefuttertes Kustchen und brachte sie im Keller
hinter Schloss und Riegel.
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Im April mazerierten sie Ginster und Orangenblute, im Mai ein Meer von
Rosen, deren Duft die Stadt fur einen ganzen Monat in einen
cremigsußen unsichtbaren Nebel tauchte. Grenouille arbeitete wie ein
Pferd. Bescheiden, mit fast sklavenhafter Bereitschaft fuhrte er all die
untergeordneten Tutigkeiten aus, die Druot ihm auftrug. Aber wuhrend er
scheinbar stumpfsinnig ruhrte, spachtelte, Bottiche wusch, die Werkstatt
putzte oder Feuerholz schleppte, entging seiner Aufmerksamkeit nichts von
den wesentlichen Dingen des Geschufts, nichts von der Metamorphose der
Dufte. Genauer als Druot es je vermocht hutte, mit seiner Nase numlich,
verfolgte und uberwachte Grenouille die Wanderung der Dufte von den Bluttern
der Bluten uber das Fett und den Alkohol bis in die kustlichen kleinen
Flakons. Er roch, lange ehe Druot es bemerkte, wann sich das Fett zu stark
erhitzte, er roch, wann die Blute erschupft, wann die Suppe mit Duft
gesuttigt war, er roch, was im Innern der Mischgefuße geschah und zu
welchem pruzisen Moment der Destillationsprozess beendet werden musste. Und
gelegentlich gab er sich zu verstehen, freilich ganz unverbindlich und ohne
seine unterwurfige Attitude abzulegen. Ihm komme so vor, sagte er, als sei
das Fett jetzt womuglich zu heiß geworden; er glaube fast, man kunne
demnuchst abseihen; er habe es irgendwie im Gefuhl, als sei der Alkohol im
Alambic jetzt verdunstet... Und Druot, der zwar nicht gerade fabelhaft
intelligent, aber auch nicht vullig dumpfkupfig war, bekam mit der Zeit
heraus, dass er mit seinen Entscheidungen justament dann am besten fuhr,
wenn er das tat oder anordnete, was Grenouille gerade "so glaubte" oder
"irgendwie im Gefuhl" hatte. Und da Grenouille niemals vorlaut oder
besserwisserisch uußerte, was er glaubte oder im Gefuhl hatte, und
weil er niemals und vor allem niemals in Gegenwart von Madame Arnulfi -
Druots Autoritut und seine pruponderante Stellung als des ersten Gesellen
auch nur ironisch in Zweifel gezogen hutte, sah Druot keinen Anlass,
Grenouilles Ratschlugen nicht zu folgen, ja, ihm sogar nicht mit der Zeit
immer mehr Entscheidungen ganz offen zu uberlassen.
Immer huufiger geschah es, dass Grenouille nicht mehr nur ruhrte,
sondern zugleich auch beschickte, heizte und siebte, wuhrend Druot auf einen
Sprung in die >Quatre Dauphins
hinauf zu Madame, um dort nach dem Rechten zu sehn. Er wusste, dass er sich
auf Grenouille verlassen konnte. Und Grenouille, obwohl er doppelte Arbeit
verrichtete, genoss es, allein zu sein, sich in der neuen Kunst zu
perfektionieren und gelegentlich kleine Experimente zu machen. Und mit
diebischer Freude stellte er fest, dass die von ihm bereitete Pomade
ungleich feiner, dass seine Essence Absolue um Grade reiner war als die
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